TOTALE 19

out of shape

Kuratiert von Jari Ortwig, Köln
co-kuratiert von Renato Rezende, Rio de Janeiro


18-19 Uhr: Video Screening
19.30-20 Uhr: Performance von Linda Nadji (Bildende Künstlerin) mit Bettina Nampé (Tänzerin)
20.30-21 Uhr: Sound Performance, Sculptress of Sound

+ Edition II: Topping, Jessica Twitchell und Natalie Obert
+ Ausstellung

Christian Aberle / Peppi Bottrop / Julia Bünnagel / Lisa Busche / Ricardo de Castro / Frauke Dannert / Angela Fette / Yvonne Klasen / Patricia Köllges / Konsortium / Tamara Lorenz / Linda Nadji / Bettina Nampé / Natalie Obert / Lorenzo Pompa / Maciek Rajca / Luiz Roque / Brandon Schell / Sculptress of Sound / Lucas Simões / Sebastian Thewes / Jessica Twitchell / Nico Joana Weber / Ruth Weigand / Weißer Westen / Sebastian Wickeroth


Auch heute scheinen die Prinzipien der Moderne oftmals noch Ausgangspunkt für die zeitgenössische Kunstproduktion zu sein – und wenn sie nur ein formales System bilden, das erweitert, unterlaufen oder explizit gebrochen wird.

Die dem modernen Gedankengut zugrunde liegende Strenge und Faszination für Mechanisierung und Prozesse der Perfektion, für die Abwesenheit menschlicher Schwächen und des Scheiterns speisen sich aus den europäischen Idealen des Industriezeitalters. In diesem System von Produktivität und Funktionalität sind Unpräzises und Unerwartetes ebenso wie Zufälle nicht berücksichtigt. Mathematische Berechenbarkeit und Ordnung spiegeln sich insbesondere in der abstrakten Kunst und dem geometrischen Formenvokabular des Konstruktivismus wider.

Dem entgegen steht die Kraft der Improvisation, des Experiments, des Performativen, des Körperlichen und Natürlichen, ja der Dynamik und der Provisorik. Beide Ansätze – geometrische Strenge und dynamische Offenheit – lassen sich aber in Kombination in der zeitgenössischen Kunst oftmals wiederfinden, indem sie sich mischen, versöhnen oder Spannungsverhältnisse eingehen. Ziel der Ausstellung ist es, zu befragen, welchen Einfluss modernes Gedankengut heute noch auf die zeitgenössische Kunst hat und wie die utopische Idee des Puren in seiner hermetischen Strenge durch performative Strategien und Prozesse aufgebrochen wird.

Gerade im Hinblick auf die Brasilianische Kultur, in der jegliche Ansätze von Strenge, Perfektion und Purismus zum Erliegen kommen, war der Versuch einer Moderne in der Geschichte des Landes von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bereits mit der tropischen Landschaft stehen sich Natur und rationale Systeme sehr viel radikaler gegenüber als in Europa. Die Unmöglichkeit der völligen Ausgrenzung des natürlichen Elements, ja die Aufhebung des Gegensatzes von Innen und Außen in den Tropen formuliert der Ethnologe Claude Lévi-Strauss schon 1935.
In der Brasilianischen Moderne Ende der 1950er Jahre öffnete die Künstlergruppe des neoconcretimso den rigiden Kanon konstruktivistischer Vorbilder: Sie brachten die Geometrie zum Tanzen, befreiten die Formen in den Raum und bezogen die Betrachter in den Prozess direkt mit ein. Der Aufbruch des „Verlangens nach Form“ in jener Zeit klingt in der Bildenden Kunst, der Architektur und im Design nach, bis heute und weit über die Ländergrenzen hinaus.

2016 widmet sich GUSTAVS PARK zusammen mit TOTALE auf dem Gelände der Zeche Carl dem Thema des „neoconretismo“ – ein deutsch-brasilianischer Dialog, zwischen Kulturgeschichte und Gegenwart, Form und Bewegung.

In der Ausstellung „TOTALE 19 – out of shape“ im Maschinenhaus Essen am Freitag, 11. März, gehen Video Screenings und Performances auf den scheinbaren Widerspruch von Perfektem und Provisorischen ein. Auf der Hauptwand des Ausstellungsraumes werden in Form einer „Petersburger Hängung“ verschiedene Einzelwerke aus diesem Kontext präsentiert. Eingeladen sind deutsche und brasilianische Künstler.

 

www.totale-maschinenhaus.de

Gefördert durch: Kunststiftung NRW, G.D. Baedeker Stiftung

Bildnachweis: Nico Joana, Leticia, 2009